322. Kleine Vaterbetrachtung
“Den Menschen hast du durch deine Weisheit erschaffen, damit er über deine Geschöpfe herrscht.” (Weish 9,2)
Mit gutem Recht hat uns der himmlische Vater die Herrschaft über die Geschöpfe auf der Erde anvertraut. Denn wer, wenn nicht seine vernunftbegabten Kinder, sollte diese anleiten?
Doch ist wahre Herrschaft immer mit Weisheit verbunden. Das gilt auch für das uns anvertraute Gut der Schöpfung, denn sonst vermag man mit ihr nicht so umzugehen, wie es ihr entspricht.
Der Mensch ist es ja, der von Gott mit der Begabung beschenkt wurde, in die Geheimnisse der Schöpfung eindringen zu können, um auch durch die Werke der Schöpfung den Herrn zu erkennen (vgl. Röm 1,20), ihm zu danken und ihn zu loben. Auch soll der Mensch daran mitwirken, “daß die Schöpfung von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit wird zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes” (Röm 8,21).
Doch ist dies bisher noch nicht geschehen, “denn wir wissen, daß die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt” (Röm 8,23b). “Die Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes” (Röm 8,19).
Fehlt jedoch die Weisheit, dann kann es dazu führen, daß man die unvernünftige Schöpfung zum Götzen macht und Gott nicht richtig erkennt. Man gerät in vielfältige Irrtümer und Abhängigkeiten und läßt sich letztlich von den Dämonen täuschen.
Fehlt die Weisheit, so entartet die Herrschaft über die Schöpfung in eine rücksichtslose Versklavung, welche weder der Würde des Menschen noch der Würde der guten Schöpfung Gottes entspricht. Es ist die Weisheit, die alles ordnet und jedem seinen Platz zuweist. Ohne sie greifen Verwirrung und Chaos um sich. Deshalb, oh Herr, flehen wir mit König Salomo um Weisheit, damit wir, die wir gerufen sind, Herrscher über die Geschöpfe zu sein, nicht fehlgehen!