Jes 55,11-12
Denn wie der Schnee und der Regen vom Himmel fällt und nicht dorthin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt, und sie zum Keimen und Sprossen bringt, wie er dem Sämann Samen gibt, und Brot zu Essen, so ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verläßt: es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe.
In der katholischen Kirche kennen wir die Begriffe “Tisch des Wortes” und “Tisch des Leibes Christi” schon von alters her. Damit ist der Tisch des Wortes Gottes gemeint, der dem Tisch des Leibes Christi, dem Empfang der Heiligen Eucharistie vorangeht. Beide sind gleichberechtigt.
Heute haben wir gehört, daß das Wort Gottes nicht leer zurückkommt, sondern bewirkt, was es möchte. Es wurde mit dem Regen verglichen, der nicht mehr zurückkehrt, sondern die Erde tränkt.
Das Wort Gottes ist ja – wie wir wissen – Gott selbst. Das Johannesevangelium sagt: “Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. (Joh 1,1). Weiter heißt es: “Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.” (Joh 1,14)
Das ewige Wort des Vaters wurde in Jesus Mensch.
Dieses Wort, welches Mensch geworden ist, spricht Tag für Tag in den Evangelien zu uns. Wir lesen dort, was Jesus – das fleischgewordene Wort – unter uns Menschen gewirkt hat. Aber auch dann, wenn wir dem Fleisch gewordenen Wort, Jesus, physisch nicht begegnen, sondern das Wort hören oder lesen, wird Gottes Geist lebendig. Fällt dieses Wort nun in ein bereites Herz, dann teilt der Geist Gottes sich uns mit: Das Wort erleuchtet unseren Verstand und stärkt den Willen, damit wir mit unserer Freiheit das durchzuführen vermögen, wozu es von Gott ausgesandt ist.
Das Wort Gottes ist uns Orientierung, Klarheit, Nahrung, Leben und vieles mehr.
Wir können dieses Wort auch “kauen”. Unter diesem Begriff verstanden die Väter, daß man das Wort immer in seinem Herzen wiederholt. Vielleicht hatte man für diesen Begriff jene Tiere vor Augen, welche bekanntlich die Nahrung so aufnehmen, indem sie sie wiederkauen. Mag das zunächst auch lustig klingen, so ist doch eine tiefe Weisheit darin verborgen, denn es handelt sich ja nicht um ein irgendein nebensächliches Wort, sondern um das Wort Gottes, welches uns Nahrung ist.
Jesus selber spricht über die Aufnahme des Wortes Gottes. Er erzählt im Gleichnis vom Sämann (Mt 13,3-9.18-23), wie das Erdreich bereitet werden muß – damit ist unsere Seele gemeint – damit das Wort auch tief fallen und Frucht bringen kann.
Zunächst wird uns in negativen Begriffen gesagt, wie es nicht sein soll. Das Wort kann dann nicht tief dringen, wenn wir ihm nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenken. Es geschieht sehr schnell, daß wir von den Sorgen des Alltags eingenommen werden, und das Wort wieder in Vergessenheit gerät.
Heute wissen wir sehr gut, wie viele Eindrücke Tag für Tag auf unsere Seele einströmen, denken wir nur an die ununterbrochene Information, die die Medien uns übermitteln. Liefern wir uns diesem Informationsfluß aus, dann ist es verständlich, daß das Wort nicht so tief eindringen kann, wenn wir es überhaupt noch vernehmen.
Das Wort Gottes braucht ein aufmerksames Herz. Im Schweigen kann es tief aufgenommen werden. Es will uns so ansprechen, daß wir die Besonderheit dieses Wortes innerlich erfahren können.
Aber es begegnen uns auch andere Schwierigkeiten im Umgang mit dem Wort Gottes, die verhindern wollen, daß es Frucht in uns bringt und diese Frucht auch bleibt. Jesus erwähnt noch eine weitere Schwierigkeit, wenn man nämlich “um des Wortes willen bedrängt oder verfolgt wird” (Mt 13,21); Verfolgung kann es geben, weil wir durch das Wort Dinge sagen und tun, die nicht selten im Gegensatz zu dem stehen, was man in der Welt tut.
Nehmen wir ein Beispiel, welches mir immer sehr am Herzen liegt, nämlich die Abtreibung. Wenn wir klar bekennen, daß die Tötung eines unschuldigen Kindes ein großes Unrecht ist, das niemand erlauben kann, erst recht nicht der Staat, dessen Aufgabe es ist, seine Bürger zu schützen, dann geraten wir in den Gegensatz zum sog. Mainstream.
Es kann uns dann leicht geschehen, daß wir Angst bekommen oder Nachteile befürchten und aus diesem Grund unsere Sicht nicht mehr so weitergeben, wie es der Wahrheit des Evangeliums entspricht. Das wäre eine solche Situation, wie sie Jesus beschreibt, daß wir uns zu dem Wort “um der Bedrängnisse willen” nicht mehr bekennen. In einem solchen Fall ist das Wort nicht tief genug in unser Herz vorgedrungen, und hat dort noch nicht bewirkt, was es sollte.
Heute haben wir betrachtet, worin die Hindernisse bestehen können, daß das Wort Gottes in unserem Herzen reiche Frucht bringt. Morgen wollen wir darüber nachdenken, wie das “Erdreich unseres Herzens” bereitet werden kann, damit es fruchtbar ist.