Sir 48,1-16
Da stand ein Prophet auf wie Feuer, seine Worte waren wie ein brennender Ofen. Er entzog ihnen ihren Vorrat an Brot, durch sein Eifern verringerte er ihre Zahl. Auf Gottes Wort hin verschloß er den Himmel und dreimal ließ er Feuer herniederfallen. Wie Ehrfurcht gebietend warst du, Elija, wer dir gleichkommt, kann sich rühmen. Einen Verstorbenen hast du vom Tod erweckt, aus der Unterwelt, nach Gottes Willen. Könige hast du ins Grab geschickt, Vornehme von ihren Lagern hinweg.
Am Sinai hast du Strafbefehle vernommen, am Horeb Urteile der Rache. Könige hast du gesalbt für die Vergeltung und einen Propheten als deinen Nachfolger. Du wurdest im Wirbelsturm nach oben entrückt, in Feuermassen himmelwärts. Von dir sagt die Schrift, du stehst bereit für die Endzeit, um den Zorn zu beschwichtigen, bevor er entbrennt, um den Söhnen das Herz der Väter zuzuwenden und Jakobs Stämme wieder aufzurichten. Wohl dem, der dich sieht und stirbt; denn auch er wird leben. Elija ist im Wirbelsturm entschwunden, Elischa wurde mit seinem Geist erfüllt. Doppelt so viele Zeichen wirkte er, zu Wundern wurden alle Worte aus seinem Mund. Solange er lebte, hat er vor niemand gezittert, kein Sterblicher hatte Macht über seinen Geist. Nichts war für ihn unerreichbar, noch im Grab zeigte sein Leichnam Prophetenkraft. In seinem Leben vollbrachte er Wunder und bei seinem Tod erstaunliche Taten. Trotz allem bekehrte das Volk sich nicht; sie ließen nicht ab von ihren Sünden, bis sie aus ihrem Land verschleppt und in alle Welt verstreut wurden. Aber für Juda ist ein kleiner Rest geblieben und dem Haus David noch ein Fürst. Von ihnen taten einige, was recht ist, andere verübten unerhörten Frevel.
Hier erklingt das Loblied der beiden großen Propheten, die Gott dem Volk Israel geschenkt hat.
Auch wenn die Botschaft der Propheten oft für die Hörenden, die andere Wege gehen, wie eine Bedrohung wirkt, so ist ihr Ruf zur Umkehr – mit der häufig erfolgten Androhung, daß das böse Handeln Konsequenzen hat – in Wirklichkeit ein Akt der Güte Gottes. Welche Verantwortung trägt man, wenn man sieht, daß ein Mensch durch falsche Wege Unglück auf sich zieht und man ihn nicht warnt!
Die beiden Propheten Elija und Elischa haben ihren Auftrag erfüllt und die Wahrheit verkündet. Doch der heutige Text beklagt, daß trotz des vollmächtigen Wirkens der beiden Propheten das Volk sich nicht bekehrt hat. Welche Tragik und welch tiefer Blick in den Abgrund der menschlichen Seele!
Immer wieder kann man sich die Frage stellen, warum Menschen auf falschen Wegen weitergehen, obwohl sie Warnungen bekommen und nicht nur durch die Worte der Propheten belehrt werden, sondern sicherlich auch in ihrem persönlichen Umfeld und aus den Tiefenschichten ihrer Seele entsprechende Hinweise bekommen. Hier stoßen wir auf einen fast unerklärlichen Abgrund menschlicher Verschlossenheit.
Ein Leben in der Sünde raubt dem Menschen die Freiheit und macht ihn zum Sklaven der Sünde. In dieser Unterjochung folgt er den Gesetzen der Sünde und gerät dadurch immer tiefer in den Machtbereich des “Fürsten dieser Welt” (Joh 14,30). Der Verstand, der schon durch die Erbsünde in Mitleidenschaft gezogen wurde, verdunkelt sich weiter, der Wille wird noch mehr geschwächt, das übernatürliche Licht Gottes dringt nicht mehr in die Seele ein, verschiedene Formen von Stolz durchziehen die Seele und machen sie stumpf und resistent gegen warnende prophetische Stimmen.
Ähnliches gilt für den Irrtum, der geistig blind macht, wenngleich er u.U. nicht mit der gleichen Schwere der Schuld belastet.
Dieser quasi hoffnungslose Zustand erklärt, warum der Mensch seine falschen Wege nicht verläßt. Gäbe es nicht die Geduld und Barmherzigkeit Gottes, welche nie aufhört, um den verwirrten Menschen zu werben, dann wäre die weitere Verkündigung an jene, die nicht zuhören, von der menschlichen Perspektive aus gesehen aussichtslos.
Sind jedoch unsere Möglichkeiten ausgeschöpft und wir sehen keinen Weg mehr, jene Menschen zu erreichen, um die wir uns Sorgen machen, dann gibt es immer noch das Gebet und das Vertrauen in Gott, das der Herr nutzen kann. Er kennt noch Wege zu den Herzen der Menschen, die wir nicht kennen. Seine Liebe ruht nie, wenn es gilt die Menschen zu finden und in seiner väterlichen Liebe zu umfangen.
Auch in unseren Tagen hören wir immer wieder von erstaunlichen Bekehrungen. In der Gnade Gottes erkennen Menschen den rechten Weg – vielleicht spät, manchmal auch durch große Not hindurch – und verlassen ihre verwirrten und sündigen Wege. Auch von Juda – so heißt es in der Lesung – blieb ein kleiner Rest, “von ihnen taten einige, was recht ist!” Es gibt also – Gott sei Dank – doch Beispiele der Umkehr. Sie sind ein wirkliches Wunder! Deshalb dürfen wir nie unsere Bemühungen einstellen, an der Umkehr der Menschen mitzuwirken, selbst wenn es aussichtslos erscheint.
Heute, in einer Zeit, in welcher der antichristliche Geist sich in der Welt immer auffälliger manifestiert und auch in die Kirche eingedrungen ist, braucht es für uns Christen den Mut der beiden Propheten, unerschrocken für die Wahrheit Zeugnis abzulegen, auch wenn wir zunächst keine Früchte erkennen können und die Macht der Finsternis sich so gebärdet, als könne sie alles beherrschen.
Der Gleichgültigkeit, auf die wir stoßen können, müssen wir mit Ausdauer und Festigkeit des Glaubens begegnen; der Anfechtung zur Mutlosigkeit mit der Verankerung in der göttlichen Tugend der Hoffnung; der Feindschaft mit übernatürlicher Liebe; der Menschenfurcht mit dem Geist der Stärke.
Elija und Elischa sind uns zur Ermutigung gegeben, die uns anvertraute Mission in der Gnade Gottes zu erfüllen und Gott auch in schwierigen Zeiten der Verfolgung treu zu bleiben.