Vaternovene, Tag 2: Das Herz unseres Vaters steht weit offen

Wir sind nach dem Bilde Gottes geschaffen. Mit Recht sagen wir, daß das Herz die Mitte des Menschen ist. Nur die Dinge, die wir mit ganzem Herzen tun, finden ihren vollen und ganzheitlichen Ausdruck und tragen das Siegel unserer Identität. Dann stehen wir mit unserer ganzen Person hinter dem, was wir tun und was wir sagen.

Von den verschiedenen Arten des Schmerzes, die uns treffen können, ist es besonders der Schmerz des Herzens, der uns ganz und gar durchdringen kann. Das hängt damit zusammen, daß wir das Herz als »Sitz der Liebe« bezeichnen können. Unser Herz sehnt sich nach Liebe. Es ist glücklich, wenn es Liebe empfängt und Liebe schenken kann. Wenn die Liebe erlischt, wird es leer und kalt. Das Herz kann weit offen sein für Gott und die Menschen, es kann sich aber auch Gott und den Menschen verschließen.

Unser Herz ist empfindsam und reagiert sehr fein auf das Gute und das Böse. Aus ihm selbst stammt auch Gutes und Böses, wie wir es aus dem Mund Jesu hören (vgl. Mt 15,19). Wir können entscheiden, was wir in unserem Herzen leben lassen und vor was oder wem wir es verschließen. Auch müssen wir lernen, das Böse, das wir in unserem Herzen entdecken, von der Liebe Gottes berühren und verwandeln zu lassen.

Auf unserem Weg der Nachfolge Christi sprechen wir von der »Bekehrung des Herzens«, deren Ziel es ist, Gott ganz und gerne zu dienen und ihm in echter und dauerhafter Liebe anzuhangen.

Wir wissen, daß Jesus, auf die Frage eines Schriftgelehrten hin die Gebote Gottes wie folgt zusammengefaßt hat: “Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst” (Mk 12,30-31).

Wenn wir also in unserem Herzen noch Dinge entdecken, die diesen Grundgeboten Gottes widersprechen, dann sollte sich unser Blick auf Gott selbst lenken, der uns nach seinem Bilde geschaffen hat.

Gott selbst hat auch ein Herz, denn er ist ja die Liebe selbst. Alles, was er tut, entspringt dieser Liebe und ist von ihr geprägt. Schon im Augenblick unserer Erschaffung, als wir aus den liebenden Gedanken Gottes in das menschliche Dasein gerufen wurden, war der Beweggrund dafür die Liebe.

Wenn also schon der Grund unseres Daseins die Liebe Gottes ist, wie sehr wird sich dann das Herz Gottes danach sehnen, mit seinem Geschöpf vereint zu sein; wie sehr wird sich Gott danach sehnen, daß wir seine Liebe aufnehmen und empfangen!

Das Herz Gottes kennt keine Finsternis (vgl. 1 Joh 1,5). Niemals trennt sich sein Herz von der Liebe, die er ja selbst ist. Wenn wir seine Liebe zurückweisen, bleibt er dennoch treu, denn Gott kann sich selbst nicht verleugnen (vgl. 2 Tim 2,13). Mit menschlichen Worten läßt er uns verstehen, wie sehr er uns liebt, wie er um sein Volk leidet, das immer wieder in Gefahr ist, sich von ihm, dem liebenden Vater und Schöpfer, abzuwenden. Mit den zärtlichsten Worten möchte er uns verständlich machen, wie sein Herz für uns offensteht und wie sehr es ihn schmerzt, wenn wir seine Liebe zurückweisen.

Gott braucht unsere Liebe nicht, um in sich vollkommen zu sein. Nein, er ist vollkommen! Aber gerade deshalb ist seine Liebe umso stärker, weil sie frei ist von eigenen Interessen. Sein Herz ist rein, ohne Makel, ohne Unvollkommenheit, und es verlangt nach unserer Liebe, um uns alles aus seinem Reichtum schenken zu können. Nur in der Antwort unserer Liebe auf seine Liebe kann sich all das entfalten, was Gott für uns bereitet hat.

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