Das Evangelium nach Johannes (Joh 5,19-30): Alles, was der Vater tut, das tut in gleicher Weise der Sohn

Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht. Was nämlich der Vater tut, das tut in gleicher Weise der Sohn. Denn der Vater liebt den Sohn und zeigt ihm alles, was er tut, und noch größere Werke wird er ihm zeigen, sodaß ihr staunen werdet. Denn wie der Vater die Toten auferweckt und lebendig macht, so macht auch der Sohn lebendig, wen er will. Auch richtet der Vater niemanden, sondern er hat das Gericht ganz dem Sohn übertragen, damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt auch den Vater nicht, der ihn gesandt hat. Amen, amen, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben; er kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen. Amen, amen, ich sage euch: Die Stunde kommt und sie ist schon da, in der die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden; und alle, die sie hören, werden leben. Denn wie der Vater das Leben in sich hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben in sich zu haben. Und er hat ihm Vollmacht gegeben, Gericht zu halten, weil er der Menschensohn ist. Wundert euch nicht darüber! Die Stunde kommt, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören und herauskommen werden: Die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, werden zum Gericht auferstehen. Von mir selbst aus kann ich nichts tun; ich richte, wie ich es vom Vater höre, und mein Gericht ist gerecht, weil ich nicht meinen Willen suche, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat. 

Jesus läßt sich von der tödlichen Feindschaft, die ihm entgegenkommt, nicht abhalten, gerade auch jene aus dem Volk der Juden über seine Vollmacht in Kenntnis zu setzen, die am meisten hätten vorbereitet sein sollen, ihn zu erkennen. Gerade sie waren es  – und es gab ja einige, die zum Glauben an ihn gekommen waren – für die ein Wort aus dem Matthäusevangelium besonders gegolten hätte: “Jeder Schriftgelehrte also, der ein Jünger des Himmelreiches geworden ist, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorholt.”  (Mt 13,52). Oder auch ein Wort des Propheten Daniel: “Die Verständigen werden strahlen, wie der Himmel strahlt; und die Männer, die viele zum rechten Tun geführt haben, werden immer und ewig wie die Sterne leuchten.” (Dan 12,3).

Jesus bezeugt, daß er alles, was er tut, in Einklang mit dem himmlischen Vater und nicht aus sich selbst heraus vollbringt. Er hat alle Vollmacht von seinem Vater empfangen, den er auf der Erde bekannt machen möchte. So handelt er in der Vollmacht des Vaters, und in allem, was er tut, werden die Werke des Vaters sichtbar.

Es ist wichtig zu verstehen, daß der Sohn Gottes vom Vater gesandt ist und deshalb auch möchte, daß der Vater durch ihn verherrlicht wird. Jeder wahrhaft Gesandte – so groß seine Vollmacht auch sein mag – möchte, daß der geehrt und erkannt wird, der ihn beauftragt hat. So ist es auch mit Jesus, der deutlich macht, daß er nichts von sich aus tun kann, sondern daß in allem und von allem der himmlische Vater der Ausgangspunkt ist. Wenn das verstanden ist, dann wird die richtige geistliche Ordnung sichtbar: Jesus ist gesandt, die Werke zur Vollendung zu führen, die ihm der himmlische Vater übertragen hat, darum kommt er “im Namen des Herrn” (Mk 9,11). Das möchte er den Zuhörern deutlich machen, damit sie sowohl den Vater als auch ihn besser erkennen. Wenn sie die Worte und Werke Jesu in diesem Licht verstehen, werden sie erkennen, wer Jesus ist: Er ist d e r Gesandte des Vaters, der lang erwartete Messias, der ihnen im Auftrag Gottes Heil und Erlösung bringt.

Aufgrund der ihm verliehenen Vollmacht kann Jesus auch Tote auferwecken, wie der Vater selbst, und ihm ist das Gericht über die ganze Menschheit übertragen, damit die Menschen, wie es im Text heißt, den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren.

Der Katechismus der Katholischen Kirche (KKK 679) sagt über das Gericht:

“Christus ist der Herr des ewigen Lebens. Als dem Erlöser der Welt kommt Christus das volle Recht zu, über die Werke und die Herzen der Menschen endgültig zu urteilen. Er hat durch seinen Kreuzestod dieses Recht „erworben“. Darum hat der Vater „das Gericht ganz dem Sohn übertragen“ (Joh 5,22) [Vgl. Joh 5,27; Mt 25,31; Apg 10,41; 17,31; 2 Tim 4,1]. Nun aber ist der Sohn nicht gekommen, um zu richten, sondern um zu retten [Vgl. Joh 3,17] und das Leben zu geben, das in ihm ist [Vgl. Joh 5,26]. Wer in diesem Leben die Gnade zurückweist, richtet sich schon jetzt selbst [Vgl. Joh 3,18; 12,48]: Jeder erhält Lohn oder erleidet Verlust je nach seinen Werken [Vgl. 1 Kor 3,12-15]; er kann sich selbst sogar für die Ewigkeit verurteilen, wenn er vom Geist der Liebe nichts wissen will [Vgl. Mt 1232; Hebr 6,4-6; 10,26-31].”

Jesus beschreibt nun weiter die Vollmacht, die er empfangen hat: Wer sein Wort hört und an den glaubt, den er gesandt hat, kommt nicht ins Gericht, sondern hat das ewige Leben. Die Toten werden seine Stimme zur Auferstehung hören, denn Jesus kann das Leben geben wie der Vater selbst. Auch das Gericht, das ihm vom Vater übertragen wurde, geschieht in völliger Einheit mit dem Willen des Vaters.

Morgen werden wir im fünften Kapitel des Johannesevangeliums die weiteren Ausführungen Jesu hören!

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