Wenn wir als Katholiken die Würde des Menschen zum Thema machen – wie es in der Verlautbarung des Vatikans vom 25. März 2024 geschah – und der Begriff „Dignitas infinita“ (unendliche Würde) verwendet wird, dann muß der erste Blick auf Gott sein, der unendliche Würde ohne jede Einschränkung besitzt und den Menschen daran teilhaben läßt.
Dankbar erkennen wir, dass Gott, unser Vater, der Menschheit in seinem Sohn Jesus Christus den Weg zu sich geöffnet hat. Von ihm empfängt sie ihre unvergleichliche Würde, die dann vollendet ist, wenn der erlöste Mensch in der Ewigkeit mit den Engeln und Heiligen Gott schauen wird.
Nachdem der Mensch von Gott nach seinem Bild geschaffen wurde – „Und siehe: es war sehr gut“. (Gen 1,31) – wurde dieses Bild durch die Sünde verletzt und manchmal gar bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Der Mensch versank in vielfache Irrtümer und seine Kenntnis von Gott wurde verdunkelt. Gott hat sich seiner erbarmt und seinen Sohn zur Erlösung der Menschen gesandt.
Der auferstandene Herr hat seiner Kirche aufgetragen, die ihr anvertraute Wahrheit über den Weg des Heils allen Menschen zu verkünden, damit sie die Vergebung der Sünden erlangen. Wenn der Mensch an den Sohn Gottes glaubt und ihm nachfolgt, dann entfaltet sich in ihm die von Gott geschenkte Würde in hohem Maße.
Die Kirche ist dem Menschen auf vielfältige Weise bei der Überwindung des sittlichen Elends behilflich, das nach der Erschaffung des Menschen sein Bild verdunkelt.
Es ist aber nicht nur das moralische Elend, das den Menschen niederdrückt, sondern er muß sich auch von den Irrtümern befreien, die ihn gefangen halten, denn auch diese verletzen seine Würde. So läßt Leo XIII uns wissen: „Wenn der Verstand falschen Meinungen zustimmt und der Wille das Falsche wählt und ihm folgt, kann keines von beiden seine ursprüngliche Fülle erreichen, sondern beide müssen von ihrer ursprünglichen Würde in einen Abgrund des Verderbens fallen.“ (Leo XIII- Enzyklika Immortale Dei, 1885)
Es ist daher die vorrangige Aufgabe der Kirche, die übernatürliche Bestimmung des Menschen hervorzuheben und ihn entsprechend zu unterweisen. Nur so kann die volle Würde des Menschen gewährleistet werden.
Erfüllt das Dokument „Dignitas infinita“, welches am 25.3.2024 vom Dikasterium für die Glaubenslehre veröffentlicht wurde, diese Aufgabe?
Auch wenn die transzendente Dimension des Menschen im Verlauf des Schreibens erwähnt wird (20 +21), so finden wir doch einen anderen Schwerpunkt des Textes.
Hier wird nämlich vor allem von der „ontologischen Würde des Menschen“ gesprochen, die ihm als Ebenbild Gottes zukommt, die vielfach bedroht ist und geschützt werden muss. „Eine unendliche Würde (Dignitas infinita), die unveräußerlich in ihrem Wesen begründet ist, kommt jeder menschlichen Person zu, unabhängig von allen Umständen und in welchem Zustand oder in welcher Situation sie sich auch immer befinden mag.“(1)
Das Dokument verurteilt extreme Armut (36), Menschenhandel (41), sexuellen Missbrauch (43), Missbrauch von Frauen (44), Abtreibung (47), Leihmutterschaft (48), Sterbehilfe (51), Marginalisierung behinderter Menschen (53), Gendertheorie (55), Geschlechtsumwandlung (60) und digitale Gewalt (61), die alle im Widerspruch zur Würde des Menschen stehen.
Der Text will einen Beitrag dazu leisten, die grundlegende Würde des Menschen genauer zu bestimmen und ihren Schutz mit Nachdruck zu betonen, damit auf allen Ebenen die entsprechende Sensibilität entsteht.
So berechtigt dieses Anliegen ist – und es wird in vielerlei Hinsicht darauf eingegangen -, so sehr fehlt dem Text der Hinweis auf die entscheidende Dimension, die allein die Würde des gefallenen Menschen wiederherstellen kann. Es wird dem Menschen nicht verkündet, dass er dazu der Erlösung in Christus bedarf, die ihm nur zuteil wird, wenn er umkehrt und an ihn glaubt.
Damit wird die spezifische Botschaft der katholischen Kirche ausgeblendet!
Katholiken glauben, dass unser Herr Jesus Christus der Kirche die unvergleichliche Aufgabe anvertraut hat, alle Menschen zu lehren, wie sie Gottes Willen tun können, um ihn zu ehren und ihre Seelen zu retten. Da Gott der letzte Richter über unseren Wert – und damit über unsere Würde – ist, hat die katholische Kirche die grundlegende Pflicht, den Menschen zu sagen, dass ihre menschliche Würde davon abhängt, inwieweit sie der Gnade Gottes entsprechen, die wahre Religion erkennen und ihr folgen. Wenn die Kirche also von „Menschenwürde“ spricht, dann muss dies notwendigerweise die hervorstechendste Botschaft sein.
Leider ist das in diesem Schreiben nicht der Fall. So trägt der Text noch mehr zur Verwirrung und zur Entfremdung vom authentischen Weg der katholischen Kirche bei. Die gegenwärtige Hierarchie setzt den Weg fort, der bereits dem luziferischen Geist die Türe geöffnet hat, um die Kirche nur noch als eine bloße Kraft in der Welt zu verstehen und ein Teil von ihr zu werden. Sie wird ihres himmlischen Kleides beraubt, welches sie durch das Blut des Lammes empfangen hat und zieht das Kleid der von Gott abgewandten Welt an.
Es ist das falsche Kleid!