Röm 13,11-14a
Bedenkt die gegenwärtige Zeit: Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf. Denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts. Lasst uns ehrenhaft leben wie am Tag, ohne maßloses Essen und Trinken, ohne Unzucht und Ausschweifung, ohne Streit und Eifersucht. Legt als (als neues Gewand) den Herrn Jesus Christus an.
Zu Beginn des neuen Kirchenjahres bereiten uns die Texte der täglichen Lesung auf die Wiederkunft des Herrn vor. Wenn auch niemand außer dem Vater Zeit und Stunde kennt, so gilt es doch vorbereitet zu sein.
Die Geschichte der Menschen verläuft nicht etwa in ein unbekanntes Nichts, sondern sie ist in der Hand Gottes, und der Herr hat uns nicht im Ungewissen gelassen, was auf uns zukommt. Der Glaube schenkt uns die Hoffnung und auch die Gewißheit, daß der liebende Gott, der uns geschaffen und erlöst hat, uns in der Ewigkeit in seine Nähe ruft und wir für immer bei ihm sein werden. So sind wir eingeladen, dem Herrn zu vertrauen, sowohl in unserer Erdenzeit als auch in der Zeit nach unserem irdischen Tod. Dieses Vertrauen in den liebenden Vater lehrt uns, all die Ereignisse in unserem Leben von Gott her verstehen zu lernen, auch jene, welche uns Angst machen würden, wenn uns von Gott nicht der Schlüssel für unser Leben gegeben würde.
So sind auch die mahnenden Texte des heutigen Tages zu betrachten. Sowohl in der Lesung als auch im Evangelium wird vom geistigen Schlaf des Menschen gesprochen. Der Mensch soll jedoch realisieren, in welcher Situation er von Gott aus gesehen lebt. Stattdessen – so heißt es im Evangelium – blieben die Menschen in ihrem täglichen Leben nichtsahnend und waren sich nicht bewußt, daß die Stunde des Endes der Zeiten – wir könnten auch die persönliche Stunde des Todes mit einbeziehen – plötzlich kommen kann, wie ein Dieb in der Nacht!
Dieser geistige Schlaf, von dem hier die Rede ist, kann sehr leicht eintreten, wenn man weder die Zeichen der Zeit beachtet noch das Leben in der geistlichen Wachsamkeit führt, zu welcher uns die Texte der Heiligen Schrift immer wieder auffordern.
Die angekündigte Wiederkunft Jesu, das Gericht am Ende der Zeiten, der Tod, die Möglichkeit, sein Leben zu verfehlen und somit in der ewigen Trennung von Gott zu leben, sind nicht etwa Drohungen, die uns ängstigen sollen, sondern Realitäten, die dazu dienen sollen, uns wachsam zu machen. Unser Leben soll sich bewußt auf das letzte Ziel ausrichten, alles abzuschütteln und zu überwinden suchen, was uns ungeordnet an dieses Leben fesselt und somit geistig schläfrig macht. Wird die Dimension der letzten Dinge in der Verkündigung ausgelassen, dann werden die Menschen getäuscht und sie bleiben in ihrem Schlaf und verlieren die große Orientierung des Lebens.
Gott ist der Gott der unendlichen Liebe. Das ist wahr und gewiß! Doch es entspricht auch seiner Liebe, uns auf die Konsequenzen eines Lebens in der Sünde aufmerksam zu machen und uns davor zu warnen. Welcher Vater würde seinen Sohn nicht warnen, wenn er in die Irre geht? Welcher Lehrer der Kirche kann es verantworten, die ihm anvertrauten Gläubigen über die letzten Dingen im Unklaren zu lassen?
Der heilige Paulus mahnt die Seinen, alle Werke der Finsternis abzulegen und die Waffen des Lichtes anzulegen. Es sind die zwei Bewegungen, die es in der Nachfolge Christi braucht: Die Zurückweisung der Finsternis in uns und um uns, sowie das Streben nach dem Licht des Herrn. Beides ist wichtig!
Für das erstere ist die Sebsterkenntnis wesentlich. Wir müssen uns ohne Angst und falsche Scham auch in unseren verkehrten Haltungen wahrnehmen lernen und die Dunkelheiten unseres Herzens kennen. Der Apostel mahnt die römische Gemeinde:
„Lasst uns ehrenhaft leben wie am Tag, ohne maßloses Essen und Trinken, ohne Unzucht und Ausschweifung, ohne Streit und Eifersucht.“
Paulus könnte hier die Liste der Dinge ausdehnen, welche die Menschen in der Finsternis belassen und damit im geistigen Schlaf. Es ist nicht angenehm für uns Menschen, die eigenen Schattenseiten zu entdecken, und sicher sind wir leicht in der Versuchung, darüber hinwegzugehen oder nicht richtig hinzuschauen.
Das ist allerdings weder hilfreich noch klug, denn unser „arges Herz“ wird nicht dadurch verwandelt, daß wir über unsere Schatten hinwegsehen. Auch ist dann unsere Religiosität in der Gefahr, künstlich zu werden und mangelt an einem gesunden geistigen Realismus. Unklug ist es auch, weil wir sowieso gereinigt werden müssen, um in das Reich Gottes zu gelangen. Alles, was wir hier auf der Erde schon in Bezug auf die Läuterung tun und vom Geiste Gottes geschehen lassen, läßt uns in der Liebe wachsen und ist auch eine Wohltat für unsere Mitmenschen!
Die andere Bewegung ist: „Legt als (als neues Gewand) den Herrn Jesus Christus an.“ Dies bedeutet die Umwandlung in Christus, die uns durch den Heiligen Geist geschenkt wird, und an der wir mitarbeiten, damit wir vollkommen wie der Vater im Himmel werden.
Um also auf die Wiederkunft des Herrn vorbereitet zu sein und die nötige Wachsamkeit zu erwerben, gilt es den Weg der Heiligkeit zu gehen und auch die Zeichen der Zeit zu beachten, welche der Wiederkunft Christi vorausgehen.
Gott möge schenken, daß die täglichen Auslegungen im Jahre 2020 diese beiden wesentlichen Punkte der heutigen Lesungen als Leitmotiv behalten, damit wir die Wiederkunft des Herrn immer mehr erwarten!