Der Kampf gegen unsere ungeordneten Neigungen kann sich nicht nur auf die sinnliche Sphäre beschränken, welche beschnitten und gezähmt werden muß, um uns nicht zu schwächen und u.U. sogar leichter für die Sünde zu disponieren. Er muß auch gegen ungeordnete geistige Neigungen stattfinden, denn diese belasten die Seele genauso.
Ein sehr wichtiger Aspekt der geistigen Askese, und damit des geistlichen Kampfes, ist der Umgang mit dem Wort, und ich füge hinzu – noch subtiler – der Umgang mit den Gedanken und Gefühlen. Wir wissen alle: Gute Worte bauen auf und stärken.
Im Buch Jesus Sirach heißt es: “Die Toren haben ihr Herz auf der Zunge, die Weisen haben ihre Zunge im Herzen.” (Sir 21,26)
Es geht zunächst um die Zügelung des ungeordneten Rededranges. Wenn man das, was man denkt und empfindet, sofort ausspricht, ohne es einer inneren Prüfung zu unterziehen, hat man das “Herz auf der Zunge”. Man meint vielleicht, daß man mit einem solchen Verhalten besonders offen und ehrlich ist, verkennt aber die metaphysische Situation des Menschen. Niemand von uns Menschen ist in der Regel schon so in seinem Herzen gereinigt, daß jedes Wort aus seinem Mund den anderen Menschen aufbaut und in rechter Weise belehrt – und erst recht nicht, wenn es sehr viele sind.
In der Heiligen Schrift heißt es:“Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, auferbaut und denen, die es hören, Nutzen bringt!” (Eph. 4,29). Das ist der Maßstab für uns.
Wir müssen also lernen, unsere Zunge im Zaum zu halten, welche nach dem Apostel Jakobus “ein ruheloses Übel und von tödlichem Gift ist.” (Jak 3,8). Er geht noch weiter und sagt: “die Zunge kann kein Mensch zähmen”. Was also ist zu tun? Aussichtslos?
Die Askese ist nicht nur eine menschliche Anstrengung! Wenn wir sie in Bezug auf Gott einsetzen, um ihm ihm besser dienen zu können, dann ist dies vom Heiligen Geist inspiriert, d.h. er wird uns in all unseren Bemühungen unterstützen und uns helfen, dieses schwere Werk der Zähmung der Zunge zuversichtlich anzugehen. Also können wir dem Apostel antworten und sagen, daß es mit der Hilfe Gottes möglich wird und dem Herrn zurufen: „Herr, stell eine Wache vor meinen Mund, eine Wehr vor das Tor meiner Lippen!“ ( Psalm 141,3)
Bevor wir die Qualität der Worte prüfen – damit meine ich, wahrzunehmen, ob irgendetwas an negativen Gefühlen, Vorwürfen, Anklagen, Überheblichkeit usw. in ihnen liegt – ist es zunächst wichtig, die Anzahl der Worte zu reduzieren. Wer ununterbrochen redet, kann weder richtig zuhören, noch ist er der Herr über sein Reden, noch wird er genügend wahrnehmen, ob seine Worte heilsam und gut für den anderen Menschen sind.
Es muß sich dabei nicht immer um noch ungeläuterte Worte aus unserem Mund handeln, sondern auch um viele unnütze. Viele Worte, die sich nur um die natürlichen Dinge drehen, schwächen die Spannkraft der Seele, denn sie sind eine Form von „Sich gehen lassen“, sich einem Antrieb überlassen, der zunehmend dominant wird, ohne daß wir ihn beherrschen.
Worte sind jedoch etwas ungemein Wichtiges; und wir werden auch für unsere Worte zur Rechenschaft gezogen:
“Ich sage euch: Über jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen; denn aufgrund deiner Worte wirst du freigesprochen, und aufgrund deiner Worte wirst Du verurteilt werden.” (Mt 12,36-37)
Wer auf dem geistlichen Weg Fortschritte machen will, muß lernen, mit seinen Worten im Geist des Herrn umzugehen. Das heißt nicht, daß man stumm sein muß, sondern daß man seine Worte gut prüft, sowohl was ihre Anzahl betrifft als auch ihre „Quälität“.
Das bedarf unserer Anstrengung mit der Hilfe Gottes. Vor allem müssen wir zunächst einmal einsehen, daß wir der Zügelung unseres Rededranges bedürfen und ihn nicht etwa nur als zu uns gehörig und als Teil unseres natürlichen Temperamentes betrachten dürfen. Zur Erinnerung sei gesagt, daß Askese nicht etwa Lebensverlust bedeutet, sondern Zügelung und Beschneidung, damit das Richtige wachsen und das Überflüssige, Schädliche oder auch Giftige überwunden wird.
Versuchen wir doch einmal, weniger und bewußter zu sprechen und, bevor die Worte auf die Zunge kommen, sie im Herzen zu erwägen (Zunge im Herzen).
Heute habe ich mehr über die Anzahl der Worte gesprochen. Noch wichtiger ist die „Qualität“ der Worte. Davon, und wie wir mit den dunklen Seiten unseres Herzens umgehen können, damit sie nicht unsere Worte nach außen bestimmen, wird morgen die Rede sein!
Noch ein weises Wort zum Schluß:
Wenn wir merken, daß wir das Reden nicht richtig im Griff haben und immer wieder zuviel reden oder auch andere mit unseren Worten verletzen, wir also gewissermaßen “Toren” sind. Da gibt uns das Buch der Sprüche einen guten Rat:
“Auch ein Tor kann als weise gelten, wenn er schweigt, als einsichtig, wenn er seine Lippen verschließt.” (Spr 17,28)
Es gibt also immer einen Weg! Die Heilige Teresa von Avila, deren Gedächtnis wir heute begehen, würde dem sicherlich zustimmen!