Joh 6,30-35
In jener Zeit fragten die Juden Jesus: Welches Zeichen tust du denn, damit wir es sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? Unsere Väter haben das Manna in der Wüste gegessen, wie es in der Schrift heißt: Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen. Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Jesus sagte zu ihnen: Denn das Brot, das Gott gibt, kommt vom Himmel herab und gibt der Welt das Leben. Da baten sie ihn: Herr, gib uns immer dieses Brot! Jesus antwortete ihnen: Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.
Ausgehend vom 25. April, dem Fest des hl. Apostels Markus, an dem wir im Evangelium den bedingungslosen Auftrag Jesu an seine Jünger gehört haben, allen Geschöpfen das Evangelium zu verkünden, haben wir gestern zwei kurze Zeugnisse vernommen, wie jüdische Menschen den Herrn gefunden haben und wie dies ihr ganzes Leben beglückend bestimmt hat. Alphonse Ratisbonne und Hermann Cohen vernahmen sogar den Ruf zum Priester- und Ordensleben und verkündeten dann mit großem Eifer den Glauben, den sie durch Gottes Gnade gefunden hatten.
Heute hören wir zum Abschluß das Zeugnis von Rabbi Israel Zolli, der als Rabbi von Rom den Weg zu Jesus fand und als Konsequenz im Jahre 1945 in die katholische Kirche eingetreten ist.
Als er später gefragt wurde, warum er denn die Synagoge für die Kirche aufgegeben habe, antwortete er:
“Aber ich habe sie nicht aufgegeben! Das Christentum ist die Vervollständigung, Erfüllung und Krönung der Synagoge. Die Synagoge war eine Verheißung und das Christentum ist die Erfüllung dieser Verheißung. Die Synagoge weist auf das Christentum hin: Das Christentum setzt die Synagoge voraus. So kann die eine nicht ohne die andere existieren. Es war das lebendige Christentum, zu was ich bekehrt wurde.”
Diese Aussagen zeigen uns den Heilsweg, den Gott für sein Volk vorgesehen hat. Dies ist es, was Gott beabsichtigt, daß Israel, seine “Erste Liebe” seinen Sohn erkennt und sich damit all das erfüllen kann, was Gott schon lange verheißen hat.
Bereits in der Kindheit war es für Israel Zolli ein großes Kruzifix im Haus eines katholischen Schulfreundes, das in ihm Zuneigung, ja Mitleid erweckt hatte: “Warum war dieser Mann gekreuzigt worden? Warum folgen ihm so viele Menschen, wenn er doch so verrucht war? Warum waren die Menschen, die diesem Gekreuzigten folgen, so gut und beteten diesen an? Warum wurden wir Jungs so anders in der Gegenwart dieses Kruzifixes? In einer Sache war ich mir vollkommen sicher: Er war gut!”
1944 hatte Rabbi Zolli sein endgültiges Bekehrungserlebnis. Es war ihm vergönnt, während des größten jüdischen Festes, dem Jom Kippur, als er in seiner Eigenschaft als Oberrabbiner den Gottesdienst feierte, Jesus in einer Vision zu begegnen und Ihn von innen her zu erfahren:
“Ich führte beim Gottesdienst im Tempel den Vorsitz. Der Tag neigte sich seinem Ende zu, und ich war inmitten einer Menge Leute ganz allein. Mir was, als krieche ein Nebel in meine Seele; er wurde dichter und ich verlor gänzlich den Kontakt zu den Menschen und Dingen um mich herum. Dann befand ich mich im Geiste auf einer sanft ansteigenden Wiese. Dort sah ich Jesus, mit einem weißen Umhang bekleidet und über ihm den blauen Himmel. Ich war im größten inneren Frieden. In meinem Herzen stiegen die Worte auf: ‘Du bist zum letzten Mal hier!’ und die Antwort meines Herzens war: ‘So ist es, so soll es sein, so muß es sein!’ ”
Wenige Tage später trat er von seinem Amt in der Synagoge zurück und wurde einige Monate später getauft und in die katholische Kirche aufgenommen.
In seiner Autobiographie: “Before the dawn” (“vor der Morgendämmerung”) teilt er einige seiner Gedanken über die Konversion mit:
“Eine Konversion ist die Antwort auf einen Ruf von Gott. Man bekehrt sich nicht zu einer Zeit, die man selbst auswählt, sondern in der Stunde, wenn man den Ruf Gottes empfängt. Wenn der Ruf gehört wird, hat derjenige, der ihn empfängt nur eines zu tun: zu gehorchen!”
“Das Christentum war für mich der Gegenstand meiner Sehnsucht nach Liebe, die den Winter meiner Seele erwärmen sollte; nach unvergleichlicher Schönheit, die meine Sehnsucht nach Schönheit stillen sollte, wie es in den Worten des Hoheliedes heißt: “Denn vorbei ist der Winter, verrauscht der Regen. Die Blumen erscheinen im Land, die Zeit zum Singen ist da. Die Stimme der Turteltaube ist zu hören in unserem Land.” (Hld 2,11-12)”
Menschen, die Jesus finden, kommen nach Hause. Das gilt für alle, die eine wahrhaftige Begegnung mit Gott haben und auf diese antworten. So war es mit den drei jüdischen Menschen, die wir im Rahmen unserer Betrachtung gestern und heute kurz haben zu Wort kommen lassen. Sie sind Zeugen des Herrenwortes: “Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.”
Es erging ihnen nicht anders als den ersten Jüngern Jesu, die auch dem Volk Israel angehörten; und es wird allen Juden so gehen, wenn sie die Liebe Gottes in seinem Sohn erkennen.
Ich habe diese letzten drei Betrachtungen mit einem wehen Herzen niedergelegt, denn niemals kann es wahr sein, daß jüdische Menschen einen eigenen Heilsweg haben und das Kommen des Messias für sie keine Bedeutung besitzt. Wer dies von christlicher Seite aus allen Ernsten behauptet, der verleugnet die Heilsgeschichte Gottes. Sollte diese absurde Behauptung nun die “offizielle Linie” der katholischen Kirche sein, dann hätte sie an diesem Punkt die Wege Gottes verlassen und würde ihrem Auftrag untreu werden. Es bleibt mir die Hoffnung, daß solch verwirrende Aussagen von jenen ignoriert werden, welche sich der Gnade der Erlösung bewußt sind. Auch hoffe ich, daß Verantwortliche der Kirche irrige Wege verlassen und stattdessen zum eifrigen Gebet für die Erleuchtung Israels aufrufen und alles tun, was an ihnen liegt, um dem Volk des Alten Bundes zu helfen, ihren Messias zu erkennen. Das kann und soll mit großem Feingefühl und Respekt geschehen, ganz gewiß! Doch ist es die Liebe zu ihnen, welche uns antreibt, “…allen Völkern Umkehr zu verkünden, angefangen in Jerusalem” (Lk 24,48), bis zum Ende der Erde Diesen Auftrag haben wir zu erfüllen bis zur Wiederkunft des Herrn!
So ergeht meinerseits eine Einladung, besonders für die Juden zu beten, damit sie dieses Wort als lebendige Wirklichkeit erfahren dürfen: “Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.”