Allerseelen

Für die Toten beten

2 Makk 12,43–45

In jenen Tagen veranstaltete Judas, der Makkabäer, eine Sammlung, an der sich alle beteiligten, und schickte etwa zweitausend Silberdrachmen nach Jerusalem, damit man dort ein Sündopfer darbringe. Damit handelte er sehr schön und edel; denn er dachte an die Auferstehung. Denn hätte er nicht erwartet, daß die Gefallenen auferstehen werden, wäre es überflüssig und sinnlos gewesen, für die Toten zu beten. Auch hielt er sich den herrlichen Lohn vor Augen, der für die hinterlegt ist, die in Frömmigkeit entschlafen. Ein heiliger und frommer Gedanke! Darum ließ er die Toten entsühnen, damit sie von der Sünde befreit werden.

An das Fest Allerheiligen schließt sich sehr sinnvoll das Gedenken an die Entschlafenen an. Sie gehören ja zur »leidenden Kirche«, d.h. sie sind Brüder und Schwestern, die sich im Zustand ihrer letzten Reinigung befinden; die also noch auf die ganze Anschauung Gottes warten.

Leider neigen wir dazu, zu selten an sie zu denken. Eigentlich sollten sie doch täglich mit unseren Gebeten beschenkt werden, da ihr Zustand in gewisser Weise bedauernswert ist, wenngleich sie auch wissen, daß sie gerettet sind.

Wieso ist ihr Zustand am Ort der Reinigung bedauernswert?

Das »Purgatorium« wartet dann auf uns, wenn wir in unserem Leben aus eigener Schuld nicht genügend auf die Liebe Gottes geantwortet haben. Vielleicht haben wir schon begonnen zu lieben, aber nicht die ganze Antwort geschenkt. Besonders mag es für jene Menschen gelten, die erst kurz vor ihrem Tod den Herrn erkannt und seinen Namen angerufen haben; oder aber für jene, welche aus einem Leben der geistlichen Mittelmäßigkeit erst spät erwacht sind und nun im Lichte Gottes erkennen, was sie alles versäumt haben.

Das ist in der Tat ein schmerzhafter Zustand, weshalb auch der Name »Arme Seelen«, den wir in Deutschland verwenden, gut gewählt ist.

Stellen wir es uns einmal konkret vor: Aus Nachlässigkeit haben wir die vielen Gelegenheiten, die der Herr uns gibt, um die Liebe zu üben, nicht wahrgenommen. Vielleicht hätten Menschen durch unser Gebet gerettet werden können! Möglicherweise werden uns nun jene, die unser Gebet gebraucht hätten, gezeigt. Welchen Schmerz kann das hervorrufen! Ein Schmerz der Liebe, Gutes versäumt zu haben; besonders dann, wenn wir verstehen, daß Gott selbst für diese auf Hilfe wartenden Seelen eintritt.

Deshalb gehört es auch zu den geistlichen Werken der Barmherzigkeit, für die Verstorbenen zu beten.

Stellen wir uns einfach vor, daß wir schon in der Liebe zu Jesus erwacht sind, uns nach ihm sehnen, aber ihn noch nicht schauen können. Welch ein Schmerz – selbst wenn wir wissen, daß wir ihn noch schauen werden! Die Liebe verlangt nach der Vereinigung mit dem Geliebten, und wie schwer ist es für sie zu warten, besonders wenn eine Verzögerung der Vereinigung mit Gott aufgrund eigener Schuld eintritt.

Doch ist der Ort der Reinigung – der Lehre der Heiligen Katharina von Genua gemäß, wie diese von ihren Jüngern niedergelegt wurde – nicht etwa nur ein Ort der Qual, sondern hat auch viel Tröstliches an sich.

Der Heilige Franz von Sales faßt es folgendermaßen zusammen:

“Der Gedanke an das Fegfeuer ist weit mehr geeignet, uns Trost als Furcht einzuflößen. Ist auch wirklich die Pein des Reinigungsortes so groß, daß die äußersten Schmerzen dieses Lebens nicht damit verglichen werden können, so sind doch auch die innerlichen Wonnen dort so wunderbar, daß keine Glückseligkeit und Lust dieser Erde ihnen gleichkommt. Denn:

  1. sind die Seelen in beständiger Vereinigung mit Gott;
  2. haben sie sich dort seinem heiligen Willen vollkommen unterworfen; ihr Wille ist so innig in den Willen Gottes umgebildet, daß sie nur wollen, was Gott will, so daß sie, wenn auch die Pforten des Himmels ihnen offen stünden, es nicht wagen würden, vor Gott zu erscheinen, solange sie noch Spuren der Sünde in sich wahrnehmen;
  3. reinigen sie sich dort freiwillig und in Liebe, nur um Gott zu gefallen;
  4. wollen sie dort auf die Weise sein, wie es Gott gefällt und solange es ihm gefällt;
  5. sind sie unsündlich; sie haben auch nicht die geringste Regung der Ungeduld und begehen nicht den mindesten Fehler;
  6. lieben sie Gott über alles, mit vollendeter, reiner und uneigennütziger Liebe;
  7. werden sie dort von den Engeln getröstet;
  8. sind sie ihres Heiles gewiß und in einer Hoffnung, die nimmermehr in ihrer Erwartung zu Schanden wird;
  9. ist ihre bitterste Bitterkeit im tiefsten Frieden;
  10. ist auch dieser Ort hinsichtlich des Schmerzes eine Hölle, so ist er doch auch ein Paradies hinsichtlich der Lieblichkeit, welche die Liebe Gottes in ihr Herz ergießt: eine Liebe, die stärker ist als der Tod und mächtiger als die Hölle;
  11. ist dieser Stand mehr zu ersehnen als zu fürchten, denn die Flammen dort sind Flammen heiliger Sehnsucht und Liebe;
  12. sie sind aber dennoch furchtbar, weil sie unsere Vollendung verzögern, die darin besteht, Gott zu schauen und zu lieben und durch diese Anschauung und Liebe ihn in der ganzen, unermeßlichen Ewigkeit zu loben und zu verherrlichen.”

Auf einer Missionsreise des Chores Harpa Dei in Mexiko hatten wir in diesem Kontext ein berührendes Erlebnis. Wir befanden uns in Querétaro und begleiteten gesanglich die Heilige Messe. Der Priester – der Exorzist der Diözese – sagte auf einmal, daß Arme Seelen in der Heiligen Messe anwesend seien und darum gebeten hätten, daß man die heilige Kommunion für sie aufopfern möge. Sie wären von der Musik angezogen worden, weil diese so klänge, wie sie es von weitem vom Himmel her hören würden.

Für uns von Harpa Dei war dies ein wunderbares Wort, um besser zu erkennen, daß diese Seelen unsere Musik lieben; aber es war auch eine Erinnerung daran, mehr an sie zu denken und für sie zu beten.

Das Gebet für die Armen Seelen sollte man aus verschiedenen Gründen nicht vergessen: Einmal ist es der Wille des Herrn selbst, daß wir ihnen helfen, es ist also ein Gebot der Nächstenliebe. Auch ist es ein Akt der christlichen Klugheit, sich die Armen Seelen in der Liebe zu verpflichten; werden sie doch für uns beten und uns sicher nicht vergessen, wenn sie mit unserer Hilfe in die Ewigkeit gelangen. Wir können ihnen also unsere Anliegen anvertrauen und sie bitten, uns doch zu helfen, daß wir dereinst möglichst ohne Zwischenstation zum Herrn gelangen dürfen.

“Herr, gib den Verstorbenen die Ewige Ruhe, und das Ewige Licht leuchte ihnen! Herr, laß sie ruhen in Frieden! Amen.”

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