Ein Hinweis: in diesen Tagen behandeln wir Themen des geistlichen Lebens. Wer es vorzieht, eine Betrachtung über das Tagesevangelium zu hören (Lk 11,29-32), kann dies unter folgendem Link tun:
https://elijamission.net/2021/10/11/
Die Distanzierung von unnötigen Gedanken
Gestern haben wir uns darauf konzentriert, wie wichtig die Askese der Gedanken ist, damit wir die Herrschaft über unser Denken übernehmen und selbst entscheiden, welchen Gedanken wir welche Aufmerksamkeit zuwenden. Dabei nahmen wir besonders die bösen Gedanken in den Blick, die wir entschieden zurückzuweisen haben, damit sie sich nicht ausbreiten.
Es sind aber nicht nur die bösen Gedanken, welche uns bedrängen und uns der Freiheit berauben wollen. Noch mehr sind es die unnützen Gedanken, sich zu lange an oberflächlichen Dingen und Themen aufzuhalten, an unwichtigen Nachrichten, das flüchtige Lesen all dessen, was die Welt uns zu bieten hat, besonders in der heutigen Diktatur des Lärms und der vielen sinnlichen Eindrücke, welche sich über die Medienwelt mitteilen.
Auf dem Weg der Nachfolge des Herrn gilt es, auch die freiwilligen unnützen Gedanken zu meiden oder sie wenigstens zu beschneiden, da sie unsere innere Aufmerksamkeit vom Wesentlichen ablenken.
Hier muß sich unsere Entscheidung, die »Reinheit des Herzens« gewinnen zu wollen, vertiefen. Während böse und zerstörerische Gedanken im Lichte des Evangeliums relativ leicht zu identifizieren sind und uns unmittelbar einsichtig ist, daß wir sie meiden müssen, bedarf die Distanzierung von unnötigen Gedanken einer vertieften Entscheidung für den Weg der Vollkommenheit. Eine feinere Wahrnehmung der Ansprache des Heiligen Geistes im Inneren der Seele geht damit einher und gleichzeitig die Wahrnehmung des Zustandes unserer Seele.
Ein Wort des heiligen Paulus weist dieser feineren Form der Gedankenaskese den Weg: «Alles ist erlaubt» – aber nicht alles nützt. «Alles ist erlaubt» – aber nicht alles baut auf. (1 Kor 10,23)
Die rechte Gedankenaskese soll also nicht nur die sündigen Gedanken bekämpfen, sondern ruft den Menschen auf, auch erlaubte Gedanken zu beschneiden, damit die innere Aufmerksamkeit auf Gott hin wächst und die Seele eine größere Freiheit erlangt.
Auch in diesem Fall ist eine klare innere Entscheidung von großer Bedeutung. Sie kann uns zunächst in die Krise führen, denn wir sind gewohnt, uns den harmlosen gedanklichen Zerstreuungen hinzugeben, ohne uns über die geistlichen Konsequenzen im Klaren zu sein. Leicht können nach einem Entschluß, den Weg zur größeren Vollkommenheit beschreiten zu wollen, innere Stimmen uns einreden wollen, daß man bei einer solch weitgehenden Entscheidung die natürliche Lebensfreude oder eine gewisse «Leichtigkeit des Seins» verlieren könnte…
Der Begriff der «Einreden» stammt ebenfalls aus der asketischen Schule der ostkirchlichen Tradition. Solche «Einreden» können z.B. in allen möglichen Ängsten bestehen, die versuchen, in Form von intensiven Gedanken und Empfindungen Einfluß auf unsere Entscheidung zu nehmen. Ihr Ziel ist, die Umsetzung unseres Entschlusses zu verhindern oder zumindest abzuschwächen. In der westlichen Tradition der geistlichen Schulung macht der heilige Johannes vom Kreuz auf den Umstand aufmerksam, daß der feste Entschluß, auf dem Weg zur Vollkommenheit voranzuschreiten, massiven Angriffen des Teufels ausgesetzt ist.
Diese «Einreden» sind jedoch Täuschungsmanöver, denn das Ziel des Weges ist nicht etwa eine verbissene und verkrampfte Selbstbeschneidung, sondern eine tiefere Öffnung für die Liebe Gottes. Die Beziehung zu Gott wird intensiver, sodaß uns daraus mit der Zeit ein innerer Maßstab erwächst, der zum Wegweiser wird. Dieser lehrt uns dann, uns nicht einfach gedanklichen Zerstreuungen zu überlassen. Allerdings kann das Verlassen der bekannten Verhaltensweisen uns zunächst in eine Art «innere Wüste» führen, in der die gewohnten Gedanken wieder ihren Raum einfordern möchten.
Die Gedankenaskese wird sehr unterstützt durch die Praxis des «Herzensgebetes». Es ist eine Gebetsweise, die darum bemüht ist, zum immerwährenden Gebet zu gelangen. Diese erlaubt uns, auch während verschiedener Tätigkeiten, welche nicht unsere ganze Aufmerksamkeit erfordern, das innere Gebet weiterzuführen und so das Herz und den Verstand an das Gebet zu gewöhnen. Eine Frucht ist, daß der Geschmack am inneren Gebet wächst und so der Geist des Herrn uns zügelt, uns nicht unnötigerweise gedanklichen Zerstreuungen hinzugeben, um die innere Wohltat der Sammlung in Gott nicht zu verlieren. Dieses Gebet ist dem «Stoßgebet», das uns im katholischen Raum bekannt ist, ähnlich, aber einem Stoßgebet, das wir nicht nur ab und zu und in besonderen Momenten mit dem Herzen sprechen, sondern das regelmäßig zu unserem Gebetsschatz gehört!
Mit der Übung der Tugend des Maßes und mit der Askese der Gedanken treten wir in eine aktive Phase ein, bewußt am Weg der Heiligung mitzuwirken. Hier bietet sich uns die Tugend der Klugheit an, über die wir morgen nachdenken werden…