Als Judas hinausgegangen war, sagte Jesus: Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht und Gott ist in ihm verherrlicht. Wenn Gott in ihm verherrlicht ist, wird auch Gott ihn in sich verherrlichen und er wird ihn bald verherrlichen. Meine Kinder, ich bin nur noch kurze Zeit bei euch. Ihr werdet mich suchen, und was ich den Juden gesagt habe, sage ich jetzt auch euch: Wohin ich gehe, dorthin könnt ihr nicht gelangen. Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt. Simon Petrus fragte ihn: Herr, wohin gehst du? Jesus antwortete ihm: Wohin ich gehe, dorthin kannst du mir jetzt nicht folgen. Du wirst mir aber später folgen. Petrus sagte zu ihm: Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Mein Leben will ich für dich hingeben. Jesus entgegnete: Du willst für mich dein Leben hingeben? Amen, amen, ich sage dir: Noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.
Jesus bleibt seinem Auftrag, den er von Gott Vater empfangen hat, treu bis in den Tod. Seine vollkommene Hingabe an den Willen des Vaters verherrlicht den Vater, und der Vater verherrlicht seinen Sohn.
Wir können keiner größere Liebe begegnen, als dieser Liebe zwischen Gott Vater und seinem Sohn, die der Heilige Geist ist. Diese Liebe ist es, die das finstere Geschehen des Verrats am Gottessohn zu verwandeln und in den Heilsplan Gottes einzufügen vermag.
Der Verräter hat sich auf den Weg gemacht, um Jesus auszuliefern mit dem Gewinn von dreißig Silberlingen. Jesus hingegen bereitet seine Jünger auf seinen nahenden Tod vor. Dorthin, in diesen Tod am Kreuz, können sie ihm jetzt noch nicht folgen. Er wird ihn allein erleiden zur Erlösung der Menschheit.
Der Herr gibt seinen Jüngern ein neues Gebot. Er hat ihnen die Liebe des Vaters offenbart und ihnen gezeigt, wie sie diese Liebe auch untereinander leben sollen. Das ist die Weise, wie die Menschen auf der Erde zu leben gerufen sind, um so als wahre Brüder in Christus ein Zeugnis für die Liebe Gottes zu geben. Später einmal werden die Heiden über die Christen sagen können: “Seht, wie sie einander lieben!” (Tertullian, 3. Jh.). Das ist ihr Kennzeichen!
Damit ist nicht eine allgemeine Verbrüderung der Menschheit gemäß ihrer menschlichen Natur gemeint. Diese reicht bei weitem nicht aus, um eine friedliche Welt entstehen zu lassen. Selbst wenn der gute Wille vorhanden ist, scheitern die Menschen oft an ihren schlechten Neigungen, an ihren unbekehrten Herzen und ihren Verwirrungen. Das ist leicht zu erkennen, wenn wir den Zustand dieser oft heillosen Welt betrachten.
Jesus bietet uns eine »gnadenhafte Brüderlichkeit« an, die uns durch die Liebe des Gottessohnes geschenkt wird. Sie setzt voraus, daß wir die Gebote Gottes halten, die Erlösung durch den Sohn Gottes annehmen und seinen Wegen folgen. Das befähigt uns durch den Beistand des Heiligen Geistes, wahrhaft zu lieben, eben wie der Sohn Gottes. So kann eine von Gott erlöste Welt entstehen. Die Voraussetzungen dafür sind gegeben, aber ihre Verwirklichung hängt auch von der Intensität einer vollmächtigen und authentischen Verkündigung ab, von dem sie begleitenden Zeugnis der brüderlichen Liebe in Christus.
Wie schwach die Liebe der Jünger noch war, obwohl sie ihrem Herrn mit ganzem Herzen folgten, zeigt das Beispiel des Petrus. Er war nicht glücklich über die Aussage Jesu, daß sie ihm jetzt nicht folgen könnten, wohin er gehe, und versicherte ihm: “Mein Leben will ich für dich hingeben!”. Das meinte er sicher ernst! Aber seine Liebe war noch nicht stark genug. Sie hatte noch nicht den Charakter gewonnen, der uns durch die Gabe der Stärke, ein wunderbares Geschenk des Heiligen Geistes, zuwächst.
“Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen?” Diese Worte lassen uns in seinem Herzen lesen. Petrus will bei seinem Herrn bleiben. Nichts in der Welt sollte ihn von Jesus trennen, auch nicht um den Preis seines Lebens!
Doch Jesus konnte die Situation einschätzen, denn es war ihm nichts verborgen. Er wußte, daß die Liebe seiner Jünger noch nicht stark genug war. Aber auch hier ließ er sie nicht ohne Trost und Weisung: “Du wirst mir aber später folgen”. Daran wird sich Petrus später erinnern. Jetzt aber mußte er mit dem Wort Jesu leben: “Noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen”. Nur wenige Stunden lagen vor ihnen, bis das geschah.
Jede Stunde wurde nun umso kostbarer, um aufmerksam zuzuhören, welche Weisungen Jesus seinen Jüngern und allen, die ihm später nachfolgen würden, vor seinem Tod noch geben würde. Es sind unendlich wertvolle Worte des Lebens, wie jedes Wort aus dem Munde Jesu für diese Welt. Selig ist, wer am Herrn keinen Anstoß nimmt (Mt 11,6), auf seine Worte hört und sie befolgt. Und wenn wir einmal schwach geworden sind und unserem Herrn und Meister nicht sofort nachgefolgt sind, sollten wir uns an Petrus erinnern, aufstehen und weitergehen. Der Herr ist immer bereit zu vergeben, wenn wir ihn darum bitten. Und wenn wir Gelegenheiten versäumt haben, dem Herrn unsere Liebe auch zu beweisen, die wir ihm erklärt haben, dann erinnern wir uns daran, daß der auferstandene Jesus auch dem Petrus die Gelegenheit gegeben hat, ihm seine Liebe noch dreimal zu erklären, und ihm damit eine große Aufgabe anvertraut hat (Joh 21,15-19). Jesus hatte ihn nicht aufgegeben!