Ste. Jeanne d’Arc, La Pucelle und Tochter Gottes, die Jungfrau von Orléans
In der gestrigen Meditation warfen wir einen ersten Blick auf die heilige Jeanne d‘ Arc und hörten zuletzt, daß sie mit siebzehn Jahren von zuhause aufbrach, um die ihr von Gott anvertraute Mission auszuführen. Sie wußte, daß sie diesem Ruf Gottes zu folgen hatte, wie ungewöhnlich dieser auch sei, und selbst wenn sie dafür „hundert Väter und Mütter“ hätte verlassen müssen, wie sie es selbst im Prozeß von Rouen aussagte, der im Jahre 1430 gegen sie geführt wurde.
Diese Aussage der Heiligen ist von großer Bedeutung und zeigt uns etwas vom Feuer der Liebe, das in Jeanne brannte. Gott und die Mission, die er einem Menschen anvertraut, gehen über alles, auch über die engsten verwandtschaftlichen Beziehungen. Erinnern wir uns an das Wort des Herrn: „Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich ist meiner nicht wert“ (Matth. 10,37).
Diese Unbedingtheit, Gottes Ruf ganz zu entsprechen, dürfen wir in unserer Kirche nicht verlieren. Wir können den Ruf Gottes nicht solange anzupassen versuchen, bis er den gängigen Vorstellungen in der Welt oder auch der „Welt in der Kirche“ entspricht. Gerade die Berufung der „Pucelle“ (wie Jeanne in Frankreich genannt wird) zeigt uns, daß Gott mit Menschen sehr ungewöhnliche Wege gehen kann. Natürlich sind hier nicht persönliche „Verrücktheiten“ oder abstruse Sonderwege gemeint, es muß sich vielmehr um tatsächliche Berufungen handeln. Doch gilt es hier wachsam zu sein, um manche Ungewöhnlichkeiten einer göttlichen Berufung nicht etwa nur deshalb abzulehnen, weil wir uns das so nicht vorstellen können. In diesem Sinn sprengt Jeanne d’Arcs Berufung vieles von dem, was uns vorher kaum denkbar erschien.
Wie entfaltete sich nun die Berufung der Jungfrau von Orléans, nachdem sie das Zuhause in Domrémy verließ?
Zunächst ging es darum, daß der König von Frankreich, Charles der VII., von seinem Königreich Besitz ergreifen sollte. Als Jeanne ihre öffentliche Mission begann, schien es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis der englische König die Herrschaft über ganz Frankreich ausüben würde. Die Normandie war bereits unter seiner Kontrolle und Burgund kollaborierte mit den Engländern. Zwar gab es noch militärischen Widerstand seitens der Franzosen, aber immer mehr entscheidende Schlachten gingen verloren und das französische Heer war durch die vielen Niederlagen weitgehend demoralisiert. Die Stadt Orléans, die noch zu Charles VII. hielt, war umzingelt, und beim Fall der Stadt wäre wohl ganz Frankreich unter englische Herrschaft gekommen.
In dieser Situation ergreift Jeanne auf Weisung Gottes die Initiative und überzeugt Charles davon, ihr Soldaten zur Verfügung zu stellen. Mit diesen Soldaten eilte sie nun von Sieg zu Sieg und führte so die Wende im Kriegsgeschehen herbei. Besonders die Befreiung von Orléans wird zu einem großen Zeichen und zur Beglaubigung ihrer Sendung.
In der Folge gelingt es der Heiligen, Charles zur Krönung nach Reims zu führen. Sie weiß, wie bedeutungsvoll diese Krönung ist und dass durch sie der König und diejenigen, die ihn unterstützen, gestärkt, und gleichzeitig ihre Feinde geschwächt werden.
Bei der Krönung Charles ging es jedoch nicht nur um den Akt der Salbung des Königs von Frankreich, welcher übrigens durch die Mission Jeannes die Bestätigung für seine Erwählung von Gott empfing; vielmehr geht die Jungfrau noch einen Schritt weiter: sie tritt an Charles heran und bittet ihn, sein Königtum in die Hände Gottes zu legen, um dann von Ihm den Auftrag der Regentschaft entgegenzunehmen, so also der Vasall des Höchsten zu sein.
Mit diesem Akt realisiert Jeanne einen Sachverhalt, welcher dem Königtum im Mittelalter sehr bewusst war: Alle weltliche Macht soll aus der Hand Gottes empfangen und vor ihm verantwortet werden.
Sehr aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass Jeanne während des Prozesses in Rouen erwähnt, daß es die beiden Kaiser Karl der Grosse und sein Sohn Ludwig gewesen seien, die das Kommen der Jungfrau von Orléans am Throne Gott erbeten hätten, um die gottgewollte Ordnung in Frankreich wieder herzustellen. Es waren geschichtlich gerade diese beiden Herrschergestalten, die ihren Dienst ganz im besagten Sinne verstanden hatten.
Die Herstellung der gottgewollten Ordnung in Frankreich war ein Werk der Gerechtigkeit. Große Teile der Bevölkerung hatten unter der Situation furchtbar zu leiden. Jeanne pflegte keinen persönlichen Haß gegen die Engländer, vielmehr ging es ihr darum, daß sie das Land verlassen sollten. Sie selbst tötete niemanden, sondern kümmerte sich während der Schlachten sogar um verwundete Feinde. Besonders besorgt war sie um deren Seelenheil.
Immer bot sie den Engländern zunächst freien Abzug an, wobei ihr allerdings klar war, daß man sie nicht durch Verhandlungen vertreiben konnte, sondern nur durch militärische Gewalt. Dabei stützte sie sich nicht nur auf die Kampfkraft der Soldaten, sondern wußte sehr wohl um die Unterstützung der Engel in ihren Kämpfen.
Jeanne sorgte dafür, daß ihre Soldaten zur Beichte gingen, also ihre Sünden bekannten. Sie verjagte die Prostituierten, die dem Heer folgten, und hielt die Soldaten an, ihre christliche Berufung zu leben. Sie machte ihnen die Ehre deutlich, im Heer der Jungfrau zu kämpfen. Zweifelsohne hätte sie diesen Konflikt lieber ohne Waffengewalt gelöst, doch die Situation ließ es nicht anders zu.
Fassen wir zusammen:
Gott beruft eine Jungfrau, um durch sie die gottgewollte Ordnung in Frankreich herzustellen. Jeanne d’ Arc folgt dem Ruf, der an sie ergeht. Zunächst kann sie ihre Mission für den König und ihr Land mit der Zustimmung der Kirche durchführen. Solange sie in ihrem Auftrag nicht behindert wird, gehen die unvermeidlichen Schlachten siegreich aus. Die Engländer werden entscheidend geschwächt und es kommt zu einer Wende im Krieg zugunsten Frankreichs. Jeanne führt den Dauphin Charles zur Krönung nach Reims. Doch es gelingt ihr nicht, noch weitere wichtige Aspekte ihrer Mission aktiv durchzuführen. Bald schon wird die Freiheit ihres Wirkens eingeschränkt, der Verrat naht!