Vorwort
Mit diesem Thema habe ich mich bereits über Jahre auseinandergesetzt, schon zu der Zeit, als im Jahre 1993 in Deutschland der Versuch unternommen wurde, den bisherigen Weg im Umgang mit den sog. wiederverheirateten Geschiedenen zu verändern.
Ich begrüße alle Anstrengungen, den betroffenen Menschen zu helfen und denke, daß möglicherweise noch nicht alle pastoralen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Doch kann eine wirkliche Hilfestellung nicht in einen objektiven Widerspruch geraten zu dem, was die Kirche lehrt und praktiziert. Geschieht dies, dann handelt es sich um einen irrtümlichen Weg, der korrigiert werden muß, und nicht um eine neue und bessere Erkenntnis.
Worum geht es bei der Auseinandersetzung um Amoris Laeitita?
Der hier vorliegende Text versucht den strittigen Punkt des päpstlichen Schreibens Amoris Laetitia vom 19. März 2016 einigermaßen kurz zu behandeln, damit jene, welche die Problematik der Fußnote 351 dieses Schreibens des Papstes wahrnehmen, genügend Information haben. Auch soll der Text dazu dienen, ihn an Interessierte weitergeben zu können.
Es geht in dieser Auseinandersetzung darum, daß Papst Franziskus – im Gegensatz zu all seinen Vorgängern – in besonderen Fällen denjenigen, die in einer neuen intimen Verbindung leben, während die sakramentale Ehe noch existiert, den bisher verwehrten Zugang zu den Sakramenten ermöglichen möchte.
Während es in der ersten Zeit nach dem Erscheinen von Amoris Laetitia so aussah, als würde der Papst die Umsetzung seiner Vorschläge ganz den Bischöfen überlassen, ist inzwischen jedoch deutlich festzustellen, daß der Papst auf vielen Ebenen seine Linie durchsetzen möchte. Er gibt immer unmißverständlicher zu verstehen, daß er seine neue Richtung als eine lehramtliche Entscheidung sehen möchte. Deshalb ist es nun noch wichtiger geworden, die Gläubigen zu informieren, welche sich über diesen Punkt Klarheit verschaffen möchten.
Weichenstellung des Papstes vor dem Schreiben
Papst Franziskus hatte vor der Familiensynode im Jahre 2014 und 2015 Kardinal Kasper aus Deutschland eingeladen, vor den Kardinälen und anderen seine Thesen über einen veränderten Kommunionempfang jener Paare darzulegen, welche in einer zweiten intimen Verbindung leben, während ihre erste sakramentale Ehe noch besteht. Damit wurde ein klares Signal gegeben, denn es war Kardinal Kasper, der – zusammen mit zwei anderen Bischöfen aus Deutschland – bereits 1993 versuchte, die Praxis der Kirche in dieselbe Richtung zu verändern. Dieses Vorhaben wurde 1994 von dem damaligen Glaubenspräfekten Kardinal Ratzinger – gemäß der Lehre der Kirche – zurückgewiesen.
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Durch die Einladung von Kardinal Kasper war es also eigentlich folgerichtig, daß in dem nachsynodalen Schreiben des Papstes – wenn auch nur durch eine Fußnote – der Weg zu einer veränderten Praxis geöffnet werden sollte, der dem bisherigen Weg der Kirche widersprach und bereits von den Vorgängern aus theologischen und pastoralen Gründen abgelehnt worden war.
Der Widerspruch zur bisherigen Lehre und Praxis
Aus dem Schreiben der Glaubenskongregation an die Bischöfe der katholischen Kirche über den Kommunionempfang von wiederverheiratet geschiedenen Gläubigen (1994):
In Treue gegenüber dem Wort Jesu hält die Kirche daran fest, daß sie eine neue Verbindung nicht als gültig anerkennen kann, falls die vorausgehende Ehe gültig war. Wenn Geschiedene zivil wiederverheiratet sind, befinden sie sich in einer Situation, die dem Gesetz Gottes objektiv widerspricht. Darum dürfen sie, solange diese Situation andauert, nicht die Kommunion empfangen. Diese Norm hat nicht den Charakter einer Strafe oder irgendeiner Diskriminierung der wiederverheirateten Geschiedenen, sie bringt vielmehr eine objektive Situation zum Ausdruck, die als solche den Hinzutritt zur heiligen Kommunion unmöglich macht: »Sie stehen insofern selbst ihrer Zulassung im Weg, als ihr Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse in objektivem Widerspruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche sind, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht. Darüber hinaus gibt es noch einen besonderen Grund pastoraler Natur: Ließe man solche Menschen zur Eucharistie zu, bewirkte dies bei den Gläubigen hinsichtlich der Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe Irrtum und Verwirrung«.
Die Befürworter des neuen pastoralen Weges, der unter Papst Franziskus eingeschlagen wurde – das sind in der Praxis die große Zahl der Bischöfe und Priester – stellen ihre Sicht so dar, als sei die nun mögliche Spendung der Sakramente an Paare in sog. irregulären Verbindungen eine Weiterentwicklung der Lehre und ein Akt der göttlichen Barmherzigkeit, welcher nun durch den pastoralen Weg von Papst Franziskus ermöglicht wird. Demgegenüber ist festzuhalten, was dieses Schreiben der Glaubenskongregation feststellt:
Für die Gläubigen, die in einer solchen ehelichen Situation leben, wird der Hinzutritt zur heiligen Kommunion ausschließlich durch die sakramentale Lossprechung eröffnet, die „nur denen gewährt werden kann, welche die Verletzung des Zeichens des Bundes mit Christus und der Treue zu ihm bereut und die aufrichtige Bereitschaft zu einem Leben haben, das nicht mehr im Widerspruch zur Unauflöslichkeit der Ehe steht.“ Das heißt konkret, daß, wenn die beiden Partner aus ernsthaften Gründen (z.B. wegen der Erziehung der Kinder) der Verpflichtung zur Trennung nicht nachkommen können, „…sie sich verpflichten, völlig enthaltsam zu leben, d.h. sich der Akte zu enthalten, welche Eheleuten vorbehalten sind“«.In diesem Fall können sie zur heiligen Kommunion hinzutreten, wobei die Pflicht aufrecht erhalten bleibt, Ärgernis zu vermeiden.
Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß andere Hirten – wenn auch wenige – einen verheerenden Bruch mit dem bisherigen Weg der Kirche in dieser Frage sehen und ihn als unvereinbar mit der biblischen Botschaft erkennen.
Die Frage nach der Wahrheit
So stehen sich zwei Sichtweisen gegenüber, die sich gegenseitig ausschließen, wenn auch immer wieder versucht wird, die neue Öffnung im Sinne der bisherigen Lehre der Kirche zu interpretieren. Es kann aber hier keine Übereinstimmung geben, denn entweder ist die gewollte Öffnung durch Amoris Laetitia eine vom Heiligen Geist inspirierte neue weiterführende Möglichkeit – so wollen es die Befürworter sehen – oder sie ist ein schwerwiegender Irrtum, der die Kirche schwächt und Sakrilegien fördert.
Leider wird es oft fälschlicherweise so dargestellt, als sei dies eine Auseinandersetzung zwischen einer mehr liberalen und einer mehr traditionell-konservativen Richtung in der Kirche. Das entspricht jedoch nicht der Wirklichkeit, denn die theologischen und pastoralen Einwände sorgen sich um die Wahrhaftigkeit dieses neuen Weges.
Kritik an Amoris laetitia verletzt nicht das Amt des Papstes
Da der Papst nun selbst verantwortlich ist für diese Änderung, haben es die gläubigen Katholiken mit keinem geringen Problem zu tun.
Es gibt eine verständliche Scheu vieler Katholiken, Entscheidungen des Papstes in Frage zu stellen. Man interpretiert dies leicht als eine Haltung, die gegen den Papst gerichtet sei. So sehr die Scheu und die Zuneigung zum Amtsträger einen bewahren kann, in respektlose Kritik zu verfallen und gar die Person des Papstes abzuwerten, so wenig ist es richtig, vor bedenklichen Entwicklungen, welche im Autoritätsbereich des Papstes liegen, die Augen zu verschließen. Der Papst trägt die letzte Verantwortung für eine veränderte pastorale Praxis. Daher gebietet es sowohl die Liebe als auch die Wahrheit, die fraglichen Dinge zur Sprache zu bringen. Denken wir an den heiligen Paulus, der Petrus öffentlich zurechtwies, weil dieser aus Menschenfurcht hinter die Erkenntnis zurücktrat, die er bereits von Gott bekommen hatte (Gal 2,11-21). Es wäre also unlauter, diejenigen, die ihre Stimme erheben und Klarheit in Lehre und Praxis anmahnen, im extremsten Fall gar der Sünde zu bezichtigen und ihnen Schuldgefühle machen zu wollen.
[1] Vollständiger Text: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_14091994_rec-holy-comm-by-divorced_ge.html